5. Fachkonferenz „Alles im Griff!?“ – Mein digitales Leben zwischen Kontrollverlust und Selbstbestimmung

Ankündigung und Programm der 5. Fachkonferenz

Ergebnisse

Am 13. November 2018 fand die 5. Fachkonferenz Medienkompetenz Sachsen-Anhalt statt. Über 60 Teilnehmende fanden sich im Diakoniewerk Halle ein, um der Frage nachzugehen, welche gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der heutige Medienwandel hat. Auf der Veranstaltung reflektierten wir gemeinsam die Auswirkungen der Digitalisierung für unser Leben und diskutierten über Konzepte für eine zeitgemäße Medienbildung. In Impulsvorträgen, Diskussionsrunden und Workshops wurden folgende Aspekte aufgegriffen:

  • Wie kann die Kontrolle über die eigenen Daten wiedergewonnen und Selbstbestimmung im digitalen Raum erlangt werden?
  • Mit welchen (medien-)pädagogischen Konzepten lassen sich die Zusammenhänge um Big Data, Algorithmisierung und Meinungsbildung aufzeigen und produktiv für ein souveränes Handeln nutzen?
  • Wie lässt sich medienkritisches Denken in der digitalen Welt vermitteln?









Das Netzwerk Medienkompetenz Sachsen-Anhalt veranstaltete die 5. Fachkonferenz Medienkompetenz Sachsen-Anhalt in Kooperation mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt und der Medienanstalt Sachsen-Anhalt.

Videodokumentation der Fachkonferenz: WTV – Der Offene Kanal aus Wettin

Impulsvorträge

„Datenschutz unter Artenschutz“ (Referent: Kevin Lehmann, JUUUPORT.de)


Einen musikalischen Einstieg in die Fachkonferenz machte der 18-jährige Musiker und ehrenamtliche Berater Kevin Lehmann von der Plattform JUUUPORT.de. In seinem Rap-Song „Datenschutz“ erzählte er über die Gefahren für junge Leute, die aus Unkenntnis oder Nachlässigkeit im Umgang mit eigenen Daten im Internet entstehen können.

Kevin Lehmann hatte mit seinem Song im vergangenem Jahr den ersten Datenschutz Medienpreis (DAME) in der Sonderpreiskategorie „Jugend“ gewonnen. Die EU-Initiative klicksafe stiftete den Sonderpreis. Der Clip bietet eine Möglichkeit, vor allem junge Leute für das Thema Datenschutz zu sensibilisieren.

Der Wandel der Privatheit: datenschutzrechtliche Aspekte der Digitalisierung (Referent: Dr. Harald von Bose, Landesbeauftragter für den Datenschutz Sachsen-Anhalt)

Der Landesdatenschutzbeauftragte Dr. Harald von Bose eröffnete seinen Vortrag mit einem Exkurs in die Geschichte des Datenschutzrechts. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16.07.1969 zur Verfassungsmäßigkeit einer Repräsentativstatistik – Mikrozensus gilt heute als ein wichtiger Meilenstein für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das BVerfG urteilte damals, dass eine Erhebung von persönlichen Informationen durch den Staat grundsätzlich möglich ist. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht sollte jedoch durch ausreichende Anonymisierung verhindert werden. In diesem Kontext verwies Dr. von Bose auf zwei runde Daten, welche vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklung und des Datenschutzes im Jahr 2018 eine Relevanz haben. 1948 schrieb George Orwell seinen Roman „1984“ und skizzierte damit vor 70 Jahren die Dystopie eines totalitären Überwachungsstaates. Teile Orwells Vision lassen sich in der heutigen digitalisierten Welt bereits beobachten, so Dr. von Bose. 1998 wurde Google offiziell gegründet und zählt mittlerweile zu dem erfolgreichsten Internetkonzern. Durch die zahlreichen kostenlosen Dienste erhält Google von den Internetnutzern riesige Datenmengen, welche für personalisierte Werbung, Suchvorschläge, relevante Videos oder besuchte Orte genutzt werden. Wegen der immensen Datensammelei und Marktmacht steht der Internetkonzern immer wieder in der Kritik, die preisgegebenen Daten für kommerzielle Zwecke zu missbrauchen und gleichzeitig die Meinung der Internetnutzer/-innen durch passgenaue Suchergebnisse zu beeinflussen.

Es ist heute unumstritten, dass private Daten in der Onlinewelt preisgegeben werden, „das Private wird öffentlich“, konstatierte Dr. Harald von Bose. Der Staat bemüht sich zwar die Daten der Bürgerinnen und Bürger vor Missbrauch zu schützen, hat aber gleichzeitig ein Interesse mehr über seine Bürger zu erfahren, um einen besseren Schutz der inneren Sicherheit zu gewährleisten. An den beiden Beispielen zeigte Dr. von Bose, dass der Grundsatz der Anonymisierung der Informationen in der heutigen digitalisierten Gesellschaft nicht transparent und eindeutig umgesetzt wird. „Das Verständnis von Privatheit hat sich in den letzten Jahren enorm gewandelt“, so Dr. von Bose. Die wirtschaftlichen und politischen Interessen höhlen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zunehmend aus, indem Personendaten massenweise registriert, katalogisiert und ausgewertet werden. Die Privatsphäre in der digitalen Welt hat ihren Wert eingebüßt, mit der Konsequenz, dass durch die systematische Anhäufung von persönlichen Informationen der Mensch zum Objekt im Wirtschaftssystem und Staat degradiert wird.
Schließlich stellte Dr. von Bose die Frage nach Verantwortung für diese Entwicklung und formulierte gleichsam Forderungen für einen nachhaltigen Datenschutz:

  • Datenschutz durch Technik – Datenschutz durch Technikgestaltung und datenschutzfreundliche Voreinstellungen (in Art. 25 der EU-Datenschutz-Grundverordnung verankert)
  • Datenschutz darf nicht den Fortschritt behindern – z. B. wissenschaftliche Daten zum Zweck der Krebsforschung
  • Institutionen sind für Selbstkontrolle und Einhaltung des Datenschutzes in die Pflicht zu nehmen
  • Etablierung einer Online-Ethik: Hinwirken auf eine allgemein verbindliche Datenschutzkultur durch Wissen- und Wertvermittlung
  • Politik und Recht müssen Maßstäbe und Regeln vorgeben

Weitere Informationen zum Datenschutzrecht und Medienbildung finden Sie auf der Webseite des Landesdatenschutzbeauftragten Sachsen-Anhalts

„Big Data“ als Thema in der medienpädagogischen Projektarbeit (Referent: Fabian Wörz, medienpädagogischer Referent am JFF–Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis)

Fabian Wörz ordnete zu Beginn seines Vortrags den Begriff „Big Data“, als massenhafte Erhebung, Speicherung und Analyse von Informationen, ein. Der Terminus wird in den letzten Jahren mit wiederkehrenden Skandalen, wie bspw. mit Cambridge Analytica in Verbindung gebracht. Trotz allem ist das Thema sehr abstrakt und hat kaum Auswirkungen für die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen. Daher ist die Motivation zur Verhaltensänderung (z. B. Verzicht auf WhatsApp und die Nutzung von Alternativen) gering. Wörz stellte in diesem Zusammenhang die Frage, wie es gelingen kann das Thema in der medienpädagogischen Arbeit anschaulich darzustellen. Das Video der dänischen Verbraucherzentrale bietet einen guten Einstieg in die Thematik:

Wörz stellte anschließend unterschiedliche medienpädagogische Methoden vor, die sich eignen das Big Data-Phänomen in der Bildungsarbeit zu bearbeiten. Dabei betonte er, dass auf Schockmomente verzichtet werden sollte (z. B. Konfrontation der Kinder und Jugendlichen mit persönlichen Fotos aus dem Netz).

  • Mit Making und Coding kann die Funktionsweise von Technik, Software und Algorithmen verständlich gemacht werden.
  • „Analoges Programmieren“ ist eine niedrigschwellige Methode, die es möglich macht komplexe Funktionen von Software oder algorithmischen Entscheidungsfindungen zu veranschaulichen. Methodische Anregungen:

– Analoges Programmieren: Algorithmen im Alltag von CODING FOR TOMORROW
– Was sind Algorithmen? Themenpaket mit den Spielen Roboter-Parcours und Bubblesort, vom jfc Medienzentrum Köln und der Bundeszentrale für politische Bildung

  • Mit der Serie „Black Mirror“ (Netflix) medienpädagogische Themen aufgreifen und medienethische Fragen diskutieren
  • Anwendungseinstellungen von Geräten und Apps thematisieren und für Themen Öffentlichkeit und Privatsphäre sensibilisieren

Abschließend fasste Fabian Wörz seinen Vortrag zusammen, indem er davor warnt, junge Menschen mit dem Thema ‚Datenschutz‘ allein zu lassen. „Es müssen Räume (wie bspw. Schule, Familie, Jugendarbeit) geschaffen werden, in denen Kinder und Jugendliche eine eigene Haltung zum Thema entwickeln können. Es ist wichtig darüber im Gespräch zu bleiben und Hilfestellung bei der Entwicklung eigener Wertvorstellungen zu leisten“, so Fabian Wörz.

Diskussionsrunde mit Impulsgebenden (Moderation: Matthias Schmidt, Bereichsleiter Medienkompetenzvermittlung, Medienanstalt Sachsen-Anhalt)

In der Diskussionsrunde tauschten sich die Impulsgeber darüber aus, wie die Themen, Big Data, Datenschutz oder Privatsphäre in der Bildungsarbeit nachhaltig verankert werden können. Sowohl Kevin Lehmann als auch Dr. von Bose plädierten für die Implementierung der Themen in den schulischen Kontext. Wobei der Landesdatenschutzbeauftragte Dr. von Bose sogar eine „prüfungsrelevante Medienbildung“ forderte. Fabian Wörz war es wichtig zu betonen, dass es bei der Medienbildung nicht vordergründig um „digitale Selbstverteidigung“ geht, sondern um einen mündigen Umgang mit den Online-Medien in einer digitalisierten Gesellschaft.

Workshops

Spuren im Netz. Eine Methodensammlung zu den Themen Privatsphäre und Metadaten
Referentinnen: Eva Rupprecht/Natalie Basedow:
Die komplette Methodensammlung finden Sie hier.

Peer-Education als Orientierungshilfe für den digitalen Alltag: Beratung, Aktionen und Webseminare
Referent/-innen: Leonie Ripke, Kevin Lehmann, JUUUPORT.de

Präsentation als PDF

Familienverantwortung in Kinderzimmern: vom Tracking bis zum Geofencing
Referentin: Jacqueline Hain, fjp>media – Servicestelle Kinder- und Jugendschutz

Angebot der Servicestelle
Weitere Informationen gibt es in den Fachartikeln zum Digitalen Kinderzimmer:

Zusammenfassung der Fachkonferenz (Moderation: Susanne von Holten, Referentin Programm und Jugendmedienschutz, stellvertretende Bereichsleiterin Programm, Medienanstalt Sachsen-Anhalt)

Mit einer Diskussionsrunde der Referentinnen und Referenten und einer aktiven Beteiligung der Teilnehmenden ging die Fachkonferenz zu Ende. Der allgemeine Tenor in den Workshops lautete:
Es geht nicht darum bestimmte Dienste aus Datenschutzgründen zu meiden. Vielmehr sollten Datensparsamkeit und ein souveräner Umgang mit digitalen Medien als eine gesamtgesellschaftliche Strategie verstanden werden. Es fehlt bisher am allgemeingültigen Datenschutzbewusstsein sowohl bei jungen Menschen als auch bei Erwachsenen. Eine Systematik zur Vermittlung von Datenschutzwissen sollte als Konsens definiert werden. Hier sind alle gesellschaftlichen Akteure, von den Dienstanbietern, Politik, Bildungseinrichtungen und Familie, gefragt. Gerade Erwachsene müssen als Vorbilder den Datenschutz als Wert begreifen und diesen an die Heranwachsenden weitergeben. Auch wenn Kinder- und Jugendliche rege verschiedene Online-Dienste nutzen, können sie Ihre Daten im Griff behalten, indem sie aufgeklärt und mündig im Netz unterwegs sind.

Der Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands (BvD) e. V. bietet in Zusammenarbeit mit klicksafe und mit Unterstützung der DATEV-Stiftung Zukunft eine aktualisierte (November 2018) Arbeitsmaterialsammlung für den sensiblen Umgang mit persönlichen Daten im Netz an: „Datenschutz geht zur Schule“.