Wissenschaftlicher Beirat der 7. Netzwerktagung

Die 7. Netzwerktagung Medienkompetenz Sachsen-Anhalt wird von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet. Hierfür konnten Prof. Dr. Matthias Ballod (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) und Prof. Dr. Stefan Iske (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg) gewonnen werden.

Matthias Ballod ist Professor für die Didaktik der Deutschen Sprache und Literatur an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er hat in der Linguistik zu automatisierten Verfahren der Textanalyse promoviert und in der Didaktik zu „Wissenstransfer und Wissenstransformation“ habilitiert. Seine Forschungsinteressen umfassen die digitale Transformation von Schule und Universität ebenso wie organisationales und individuelles Wissensmanagement.

Stefan Iske ist Professor für Pädagogik und Medienbildung an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Schnittfeld von Medienkultur, Mediensozialisation, Medienerziehung und Medienbiografie.

Statements und Erwartungen der wissenschaftlichen Beiräte

Schule in der digitalen Welt, Schule im digitalen Wandel (Matthias Ballod)

Das Bildungswesen und speziell die allgemeinbildenden Schulen sind in guter Gesellschaft, nämlich beim  Fehlen von Fachkräften. Der Lehrermangel hat sicher viele Ursachen, aber das Arbeits- und Lernfeld Schule wird immer anspruchsvoller. Die Querschnitsthemen wie Inklusion, Mehrsprachigkeit und Bildung für nachhaltige Entwicklung, aber auch Themen wie Gendergerechtigkeit, allgemeine Chancengleichheit, Demokratiebildung usw. erhöhen die Erwartungen an Schule, Unterricht, Bildungsverantwortliche, Lehrerinnen und Lehrer.

Digitalisierung, wie immer sie begrifflich und inhaltlich ausgestaltet wird, soll nun einerseits Entlastung schaffen, bedeutet andererseits zunächst aber immer auch Mehraufwand und sei es, im Neu-Denken oder im Um-Gestalten. Im Panel 1 sollen Positionen und Aspekte aus der theoretischen und praktischen Perspektive ausgetauscht und diskutiert werden.

Das Ziel könnte sein, wechselseitiges Verständnis aufzubauen, um im gemeinsamen Dialog konkrete Ansatzpunkte zu ermitteln, an denen zukunftsfähige Lehr-Lern-Konzepte, Methoden, Prüfungsformen, Curriculare Angebote, Lehr- u. Lernmaterialien entstehen, um unsere wichtigsten gesellschaftliche Ressource, unseren Schülerinnen und Schüler eine zukunftsfähige und lebenswerte Bildung zu ermöglichen.

Aktuelle Herausforderungen in der pädagogischen Fort- und Weiterbildung (Stefan Iske)

Dass Medienkompetenz als Prozess zu verstehen ist und sich permanent weiterentwickelt – und sich weiterentwickeln muss! – ist ein medienpädagogischer Allgemeinplatz. Dieses lebenslange Lernen im Bereich des Medialen und Digitalen kann dabei nicht allein aus individuellen Interesse und auf dem Hintergrund der individuellen zeitlichen Möglichkeiten geleistet werden. Damit kommt neben dem Feld der (Grund-)Bildung bzw. Ausbildung gerade auch dem Feld der Fort- und Weiterbildung eine zentrale Bedeutung zu – nicht zuletzt aufgrund des dynamischen und schnellen Wandels wie z.B. im Bereich KI oder Online-Werbung.

Die Frage der Bedeutung der Fort- und Weiterbildung steht außer Frage – kontrovers dikutiert wird jedoch die operativ-organisatorischen Durchführung, die Verbindlichkeit der Teilnahme, der Finanzierung sowie inhaltlich-konzeptionelle Fragen: Was kann und soll Gegenstand solcher Fort- und Weiterbildungen sein? Wie sind diese methodisch durchzuführen? Wie können Fort- und Weiterbildungen z.B. als „exemplarisches Lernen“ im Sinne Klafkis verstanden werden? Wie kann die Auseinandersetzung mit einem konkreten Bereich einen Transfer auf andere Bereiche ermöglichen? Wie kann mit der hohen Entwicklungsgeschwindigkeit digitaler Technologien Schritt gehalten werden?

Die Spannbreite solcher Angebote besteht dabei von konkreten technischen Hilfestellungen und Anleitungen bis zu konzeptionell-systematischen Überlegungen, beispielsweise zur (Weiter-)Entwicklung des gesamten Fort- und Weiterbildungsbereichs unter den Bedingungen der Digitalität. Insgesamt wird deutlich, dass in solchen Fort- und Weiterbildungen neben der Förderung und Vermittlung von Medienkompetenz auch die der mediendidaktischen Kompetenz eine zentrale Rolle spielen muss. Deutlich wird auch, dass diese Herausforderungen nicht nur den Bildungsbereich, sondern alle gesellschaftlichen Bereich und beruflichen Felder betreffen.

Künstliche Intelligenz als treibende Kraft für Veränderungen (Matthias Ballod)

„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ könnte man in Anlehnung an ein berühmtes Zitat von Gorbatschow titeln. Warum? Weil die frei zugänglichen KI-Anwenungen, allen voran die Large-Language-Models (LLM) wie ChatGPT, seit Ende 2022 ganz praktisch und unwiderruflich aufzeigen, dass die digitale Transformation längst in vollem Gange ist, mit greifbaren Konsequenzen für die Arbeits- und Lebenswelt und die gesamte Bildungslandschaft.

Noch ehe man die neuen Möglichkeiten der KI sortieren und einschätzen kann, kommen neue, erweiterte Potenziale hinzu. Die Geschwindigkeit einereits, die Vielseitigkeit des Nutzens, aber eben auch der Gefahren anderseits, sind kaum zu übersehen und nicht zu unterschätzen. 

Das Ziel könnte es sein, Visionen und Strategien zu skizzieren, wie die neuen Technologien nicht als ‚Feind der Bildung‘ wahrgenommen werden, sondern welche Rahmenbedingungen es braucht, damit ein zielgerichteter und funktionaler Nutzen der KI-Anwendungen auch in Schule, Lehre und Wissensvermittlung eingebracht wird. Hinzu kommt ein Verständnis von und für KI in der Schule und natürlich die Vermittlung eines emanzipierten Umgangs mit und einer konstruktiv-kritischen Reflexion von den Technologien.

Immer online – wenn Nutzungszeiten aus dem Ruder laufen (Stefan Iske)

Medienhandeln von Kindern und Jugendlichen steht seit jeher im Fokus des Interesses Erwachsener – und bleibt der Perspektive Erwachsener häufig fremd: Was fasziniert Kinder an TikTok? Was Jugendliche an BeReal? Für Erwachsene ist dies häufig schwer nachvollziehbar – nicht zuletzt aufgrund der Verortung von Medienhandeln in unterschiedlichen Kinder- und Jugendkulturen.

Neben diesen Fragen nach Inhalten und deren Faszinationskraft spielen bei der Sicht Erwachsener auf Mediennutzung auch immer zeitliche Fragen eine Rolle: Wäre es nicht besser, die Nutzungszeit von TikTok in das Erlernen eines Instrumentes zu investieren? Oder in die Schule? In diesen Fragen nach Nutzungszeiten und Möglichkeiten bzw. Gründen zur Reglementierung und Kontrolle durch Eltern kommen die Wertvorstellungen der Eltern zum Ausdruck: Welche Nutzungszeiten werden als „normal“ beurteilt, welche als „erhöht“, welche als „exzessiv“? Und von welcher Form der Medienwirkung wird dabei ausgegangen? Kann in diesem Bereich von „Mediensucht“ als medizinischem Krankheitsbild gesprochen werden?

Auf der anderen Seite geben sich Medienanbieter alle erdenktliche Mühe, ihre Nutzer an sich zu binden – nach gängigen Geschäftsmodellen bedeuten hohe Nutzungszeiten einen hohen finanziellen Gewinn. Beispielhaft kann hier auf Endless-Scrolling und andere dark-patterns in vielen Apps verwiesen werden.

Insgesamt wird deutlich, dass Medienhandeln von Kindern und Jugendlichen in einem komplexen Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungen, Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten und in einem kompelxen Feld unterschiedlicher Stakeholder verortet ist.