Visuelle Kommunikation auf Social Media – zwischen Anerkennung, Privatsphäre und Vertrauen

Marco Geßner, Jugendmedienschutzreferent Offener Kanal Merseburg-Querfurt e.V.

Im zweiten Teil der Webseminarreihe widmete sich Marco Geßner vom Offenen Kanal Merseburg-Querfurt e.V. der visuellen Kommunikation auf Social Media. Zu Beginn der Online-Fortbildung näherte sich Marco Geßner aus theoretischer Perspektive dem Thema ‚Fotografie’ und stellte mit Susan Sonntags Worten fest, dass durch den Akt der Herstellung und Speicherung eines fotografischen Abbildes das Motiv sich zum Objekt verwandelt und der Fotografierende sich damit in Beziehung zur Welt setzt.

In der heutigen visualisierten Kultur gelten Fotografien als Konsumakte, sie dienen sowohl als Beleg von Erfahrung als auch als Verweigerung von Erfahrung. Außerdem erweitern Fotos unseren Erfahrungshorizont und erlauben einen Blick in andere Welten. Gleichzeitig kann die visuelle Praxis gleichzeitig als Akt der Nicht-Einmischung und als Voyeurismus kritisch betrachtet werden.

Visuelle Selbstinszenierung

Durch die dauerhafte Verfügbarkeit von Smartphones und Social Media in der Jugendphase ist die Freizeitgestaltung von Heranwachsenden stark medial geprägt. Für Marco Geßner sind visuelle Selbstinszenierung, stereotype Darstellungen von Frauen und Männern sowie die Manipulation von Fotos und Videos die wesentlichen Themenschwerpunkte, welche im Kontext der visuellen Kommunikation in der medienpädagogischen Arbeit mit jungen Menschen bearbeitet werden sollten.

Laut aktueller SINUS-Jugendstudie 2020 muss der Blick auf  Selbstdarstellung und -inszenierung junger Menschen auf Social Media Plattformen differenziert betrachtet werden. Die Ergebnisse der Erhebung zeigen, dass viele Jugendliche nicht aktiv in den Netzwerken unterwegs sind. Sie nehmen eher eine konsumierende Haltung ein und schauen lieber, was andere posten. Sie selbst stellen meist nur selten Bilder oder Beiträge ins Netz und bleiben dafür häufig lieber in privaten Gruppen.

In diesem Zusammenhang erhalten Influencer*innen als Stars und Vorbilder im Netz eine Relevanz. Als vermeintlich authentische Werbeträger vermitteln sie oberflächliche Emotionen (Fake Happiness), liefern problematische Lebensentwürfe und fordern zu fragwürdigen Challenges und Pranks auf. Das sind Schattenseiten der visuellen Kultur, welche aus ethischer Perspektive thematisiert und pädagogisch aufgefangen werden sollen.

Das Phänomen „Sexting“ ist ein weiterer Aspekt, der durch die Mediatisierung des Alltags häufig problematisiert wird. Marco Geßner forderte in seinem Input zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Thema auf. Hier sollte eine genaue Unterscheidung zwischen Sexting, als Intimkommunikation zwischen zwei Personen und digitalen Missbrauch als Vertrauens- und/oder Rechtsbruch vorgenommen werden. Des Weiteren warnte er vor „Victim blaming“ – einer Täter-Opfer-Umkehr, wo das Opfer für den Missbrauch von intimen Aufnahmen verantwortlich gemacht wird. 

Auch eine Teilnehmerin des Webseminars kritisierte im Chat das negative Image des Phänomens „Sexting“:

„Genau diesen defizitären Blick auf Sexting finde ich auch problematisch. Schließlich gab es Sexting doch schon vor Jahrhunderten, nur damals als Brief oder Gedicht, irgendwann auch mit Fotos. In Zeiten von Corona und Fernbeziehungen kann es auch für Beziehungen und körperliches Wohlbefinden sehr wichtig sein.“

Die Themenschwerpunkte visuelle Selbstdarstellung, Selfie-Kultur und Sexting fasst Geßner schließlich in der folgenden Grafik prägnant zusammen:

Stereotype Geschlechterrollen und ihre visuelle Darstellung

Im zweiten Teil des Inputs ging Marco Geßner auf stereotype Geschlechterklischees ein und brachte diese in Zusammenhang mit der medialen Darstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit. In zahlreichen Beispielen zeigte Geßner auf, wie Rollenklischees und gar Sexismus schon frühzeitig durch das Fernsehen, Werbung und Influencing transportiert werden. Gerade in der Kinder- und Jugendphase werden unrealistische Schönheitsideale kultiviert und dienen möglicherweise als Vorlage für eigene Identitätsbildungsprozesse. Die Gefahr besteht darin, dass die verfestigten Bilder als Norm akzeptiert und nachgeahmt werden.

Das Aufbrechen von stereotypen Rollenbildern im medienpädagogischen Kontext kann mit Body-Positivity / Body-Neutrality Initiativen begegnet werden. Beispiele hierfür sind unter den folgenden Links zu finden:

Nachbearbeitung von Fotos und Videos

Zum Ende der Online-Veranstaltung ging Marco Geßner auf die Möglichkeiten der Bildmanipulation ein. Dabei stellte er fest, dass es sich keinesfalls um ein neues Phänomen handelt. Fotos wurden bereits seit den Anfängen der Fotografie verändert und gefälscht. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten der Bildmanipulation (Photoshop, Deep Fakes) ist es für den Betrachter*in nicht immer möglich auf Anhieb die Echtheit eines Bildes zu klären. Daher ist es heute von immenser Bedeutung, junge Menschen für ein gesunden Misstrauen gegenüber (Bild-)Medien zu sensibilisieren.